Mittwoch, 9. Mai 2012

Ankara - Kappadokien - Einöde gefolgt von vielen Überraschungen...

Tuz Gölü
Nach einem letzten türkischen Frühstück im Hotel Yeni (langsam hatten wir auch das Teeverdünnen im Griff) packten wir unsere Taschen und fuhren los in den Süden. Aus Ankara hinaus, zurück in die Weite Zentralanatoliens zu kommen, mussten wir uns aber erst einmal verdienen. Die Strasse stieg weiter und weiter, so dass wir schon bei der zweiten Tankstelle einen Rast einlegten und uns ein Eis gönnten. Als wir endlich die Passhöhe erreicht hatten und uns zurück in der Natur glaubten, wurden wir bitter enttäuscht, denn Ankara ging auf der anderen Seite des Hügels noch weiter... Etwas zu ungeduldig assen wir unser Mittagessen (einen Riesenkübel voller erfrischendem Joghurt mit Gurken, Tomaten und Brot - mehr oder weniger dasselbe, was wir schon gefrühstückt hatten) neben der Schnellstrasse auf einer Bank an der prallen Sonne. 

Vulkan hinter Aksaray

Dass wir etwa 100 m zu früh angehalten hatten, bemerkten wir, als wir danach an einem wunderschönen See und bedeckten Picknick-Plätzchen auf saftigem englischen Rasen vorbeikamen. So fuhren wir halt weiter auf unserem Pannenstreifen, der mal besser mal schlechter geteert war, mal breiter, mal schmaler wurde, mal ganz verschwand und uns auf die von hunderten von 40-Tönnern befahrene Strasse drängte. Die Landschaft war so wenig abwechslungsreich und eindrücklich, wie die Strasse Kurven hatte und so blieb eigentlich nichts mehr anders übrig als den Lastwagen hinterher zu schauen, dazwischen mal den Kilometerzähler zu überprüfen, und ab und zu das Pfötchen zu heben um die hupenden Autofahrer zu grüssen. Um die Tagesetappen in dieser Gegend zu verkürzen, beschlossen wir einfach, so weit wie wir nur irgend konnten zu fahren und erst kurz vor der Dämmerung nach einem geeigneten Schlafplätzchen Ausschau zu halten. Ein herannahendes Gewitter nahm uns dann die Entscheidung ab, und wir beschlossen an einer Tankstelle unser Zelt aufzuschlagen. 

Araba yok!
Obwohl wir vielleicht das Feuerwerk des Jahres verpassten, fanden wir, dass ein Feuer direkt an einer Tankstelle zu entfachen vielleicht nicht die beste Idee ist, und verzichteten darauf, unseren Benzinkocher anzuwerfen. So blieb das frische Gemüse, welches wir noch am Morgen in Ankara gekauft hatten, sowie unser restliches Pfund Bulgur, weiterhin in Domis Tasche. Im zugehörigen Restaurant bestellten wir uns beide wieder einmal einen Adana Kebap mit Ayran, als sich zwei Türken zu uns an den Tisch gesellten. Der eine in breitem Norddeutsch: "Sooo, schönen Tach auch, dürfen wia hia so? Weissu, so´n bisschen Unahaltung, un sooo?" und schon sassen sie neben uns am Tisch und hatten ihren Tee bestellt. Wie es sich dann herausstellte, hatte der eine während 13 Jahren in Kiel gelebt während der andere eigentlich überhaupt kein Deutsch verstand, aber trotzdem sehr interessiert nickte. Beide lebten jetzt im nahegelegen Konya, eine der konservativsten muslimischen Städte in der Türkei, wo es aber offenbar viele Kirchen und eine sehr schöne, grosse "Muschi" (Moschee auf türkisch-norddeutsch - Domi und ich durften uns während des ganzen Gesprächs über die verschiedenen Gotteshäuser in Konya nicht mehr in die Augen schauen) gab. Wir konnten dann das Gespräch zum Glück bald auf Sport und Fahrradfahren lenken, und genossen den restlichen Abend mit unseren türkischen Tischnachbarn. Nach dem dritten Çay mussten die beiden weiter, und der stille Nicker wollte sich partout nicht davon abhalten lassen für unsere Kebaps aufzukommen. Uns blieb nichts anderes übrig, als uns herzlichst bei ihm zu bedanken und ihnen eine gute Weiterfahrt zu wünschen. 

Karawanserei
Später stellten wir unser Zelt auf die winzige Grünfläche neben der Tankstelle, die auf unserer Rangliste der besten Zeltplätze wohl für eine Weile den letzten Platz belegen wird. Direkt hinter dem Rasen, etwas versteckt hinter einer Mauer, stank eine Müllhalde vor sich hin, die von einer Handvoll herumstreunender Köter als Tummelwiese beschlagnahmt worden war. In der Nacht erweiterten die Hunde ihr Revier bis zu unserem Zelt, wo sie sich dann auch noch über unseren Müll her machten. Etwas gerädert fuhren wir am nächsten Morgen weiter, entlang der nicht enden wollenden Strasse nach Aksaray. Für heute war jedoch eine kleine Radfahrerattraktion eingeplant, der Tuz Gölü, ein riesiger Salzsee mitten in der Steppe. Doch zuvor hielten uns noch zwei LKW-Şoförlar an. Die beiden Kurden machten gerade Frühstückspause und assen Spiegeleier, Oliven, Käse und Brot aus ihrer Küchenbox, die sich wie wir jetzt wissen, seitlich unten am Lastwagen befindet. Der eine war auf dem Weg nach Istanbul, der andere nach Basra, in den Irak. Mit ihm wollten wir nicht tauschen, obwohl er für dieselbe Strecke für die wir zwei Monate benötigt hatten, lediglich vier Tage brauchte. Dass er trotz häufiger Kontrollen und den maximal zugelassenen neun Stunden Fahrzeit auch gut und gerne mal weitere einundzwanzig Stunden anhängte, wollten wir als Fahrradfahrer und eindeutig schwächstem Glied in der Nahrungskette eigentlich gar nicht wissen. 
erste Eindrücke aus Kappadokien
Apropos Nahrung: Am Mittag assen wir dann zur Abwechslung mal wieder Tavuk Döner in Sereflikoçhisar, als sich der nächste deutschsprechende Türke zu uns gesellte. Wie jeder hier, fragte auch er sofort, woher wir seien, ob wir verheiratet seien und wohin wir fahren wollten. Auf das Stichwort Schweiz und Bern, antwortete er ernst "Bern - Hauptstadt" und quittierte sein geografisch-politisches Wissen mit einem breiten Grinsen, das ca. 100 strahlend weisse Zähne zum Vorschein brachte. Dieses Wissen stammte von seinen Tagen als Skinhead in der Schweiz. Er machte uns noch darauf aufmerksam, dass er zu der linken Sorte gehörte und nicht zu der rechten, was uns nicht sonderlich erstaunte, wäre er wohl der erste türkische Neonazi gewesen.

99 Luftballons
Nach dieser kurzweiligen Mittagspause fuhren wir weiter und entschieden nach 80 km, noch weitere 40 km anzuhängen, um in Aksaray auf dem Camping übernachten zu können. Mit letzter Kraft erreichten wir schliesslich den Camping, welcher sich als ****Hotel entpuppte. In der Reception fragte ich nach dem Camping und erhielt prompt die Antwort, dieser sei zur Zeit geschlossen da man gerade ein Gebäude errichtete, und sie würden es bevorzugen uns ein Zimmer zu geben für nur 120 TL. Wir waren aber mehr so auf 10 TL eingestellt und ich verliess schnaubend die Lobby, da sich der Receptionist auch nach mehrmaligen Versuchen guten Einredens nicht überreden liess, uns für eine Nacht auf der Anlage übernachten zu lassen. Wohl oder übel mussten wir nochmals 5 km weiter, ins Stadtzentrum fahren und uns ein günstiges Hotel suchen. Das Gemüse aus Ankara blieb also weiterhin in Domis Tasche. 

Im Hotel Yuvam fanden wir schliesslich ein Zimmer für die Hälfte des Preises, inklusive Frühstück. Dieses schien man hier um "7:00 & 9:30" einzunehmen, wie das Schild uns anzeigte. Das passte nicht wirklich in unseren Zeitplan, und sicherheitshalber fragten wir noch einmal beim Receptionisten nach, der zwar einwandfrei Deutsch sprach, aber sich kaum vom Solitaire-Spielen abhalten liess. Wir entschieden uns dann für die 9:30 Variante, um doch noch ein wenig ausschlafen zu können. Natürlich waren wir dann aber beide etwa zwei Stunden vorher wach, assen schon mal Pistazien gegen den ärgsten Hunger und warteten ungeduldig, dass endlich halb Zehn wurde. Um Neun Uhr wurde es mir dann zu blöd, und ich ging raus, um zu schauen, ob sich da nicht was machen liess. Mit hungrigem Blick stellte ich fest, dass hier alle gemütlich am Frühstücken waren und die meisten Platten am Buffet schon recht leer waren. Als ich dann auf das Schild zeigte, meinte der Angestellte: "9:30 - Finish!" Domi hielt mich unter Kontrolle und wir setzten uns an den letzten freien Tisch und assen Brot mit Butter und Honig. 

mittelalt. Fresken
dreistöckige Kirche
Passend zu meiner Laune fing es dann auch noch in Strömen an zu regnen, und unsere Abfahrt wurde noch länger hinausgezögert. Als es dann aufhörte und wir endlich weiterfahren konnten, war es schon fast Mittag. So zeigte unser Kilometerzähler auch nur läppische 20 km an, als wir mal wieder Kebap essend in einem Tankstellen-Restaurant sassen. Um es noch nach Göreme zu schaffen, fehlten noch die 65 km, welche für mich die längsten 65 km unserer bisherigen Reise werden sollten. Die ewig lange, Lastwagen gesättigte und schnurgerade Strasse durch eine Einöde, die durch Landwirtschaft und karge Felslandschaft geprägt war, hatte mir so zugesetzt, dass mich kein Hupen und kein kindliches "Hello! Hello! What is my name?" mehr aufmuntern konnte. Ich war zum ersten Mal nicht nur müde in den Beinen, sondern auch müde im Kopf, was mich zusätzlich stresste. Nach vielen aufmunternden Worten von Domi und Mandeln und Pistazien und einer halben Rolle Bisküvi und nochmals einer halben Rolle Bisküvi (aufeinanderfolgend nach einer Strecke von jeweils ca. 8 km) hatten wir es dann endlich nach Göreme geschafft. Auf dem Dilek Camping diskutierten wir lange, welches denn der perfekte Platz für uns wäre und konnten uns immer noch nicht entscheiden. 

Da sind wir wieder!
Zum Glück kamen dann Tobias und Marianne vorbei, um uns die Entscheidung abzunehmen. Die Wiedersehensfreude war gross und der Tag gerettet. Wir hatten bereits einige Tage zuvor per e-mail abgemacht uns in Kappadokien wieder zu treffen und gemeinsam weiter durch die Türkei zu fahren. Wir wussten zwar lange nicht genau wann und wo, aber die schweizerische Pünktlichkeit hatten wir zum Glück noch nicht verlernt und so kam es, dass die beiden zum richtigen Zeitpunkt an der Schwarzmeerküste den Bus nahmen und nur etwa eine halbe Stunde nach uns im Camping ankamen. Zum Znacht gab´s Bulgur mit Gemüse aus Ankara für alle!

Die folgenden drei Tage erholten wir uns gemeinsam in Kappadokien und genossen die eindrückliche Steinlandschaft, tauchten ab in Untergrundstädte, bestaunten Steinkirchen, erkraxelten Berge von innen herauf durch von Menschenhand geschaffene Höhlensysteme und besuchten zahlreiche Höhlenwohnungen. 




Morgen geht´s gemeinsam weiter Richtung Osten.

8 Kommentare:

  1. ZENzationell. Am beschtä gfauä mir natürläch dr kilimandscharo und die Schnäbis. Und no ä frag, isch dr Europcar Ballon o derbi gsi?
    Znälüü und "Kette rechts" wie mä hiä seit.
    Chrigu

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    1. Vielen Dank an unseren Poster Nummer eins. Unsere Berichte wären grad halb so interessant ohne die träfe Analyse. Und nein, von Europcar war weit und breit nichts zu sehen.

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    2. Gottseidank isch dä nid ir Türkei, dä bruche mir de scho gli ds Bayern. Hiä sie ja sit monate so werbeposter vo kappadokien und die gebäude hei mir scho immer gfauä. aber uf öine biuder gseh sie noch fasch besser us. au lait.

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  2. Das sind echt schöni Bilder! :-)
    Im langwilige Büroalltag sind das wahnsinnig schöni Abentür wo eine lönd lo träume selber e reis z mache.

    LG
    Akos & Ann

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  3. selö, ha doch no ä frag: heit Dir no äs paar infos bezügläch denä böim mit dä stoffbänder dran, wo söue glück bringe? das würd mi interessiere.
    liäbä gruäss und kette rechts
    chrigu

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    1. tach wohl, dir ou e liebe gruess - aber wege dene böim ha ig ke ahnig, hja gmeint das sig eifach so nes touri ding für schöni föteli...

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  4. Hallo ihr Lieben,
    Bevor wir nun selber wegfahren, nochmals alles Gute auf eurer Reise. Ich habe nachgezählt: Wir sind mit 8 Rädern unterwegs nicht mit 4, 4 am Camper und je 2 an unsern Velos, die hinten aufgeladen sind.
    Zu Kappadokien: Da kommen uns schöne Erinnerungen. Vor mehr als zwanzig Jahren machten wir eine Kleinasienreise. Wir besuchten die Hethiter in Yazilikaya (kaum noch Spuren zu sehen) und eben Kapadokien. Sehr eindrücklich! Euch weiterhin gute Fahrt! Wir sind gespannt wie es euch im Iran ergehen wird. Janine, kannst du mit dem mantelartigen Rock velofahren, oder musst du das Fahrrad schieben?
    Seid ganz herzlich gegrüsst von Ueli und Elisabeth

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  5. Hellau! D Brichte wärde immer wie spannender u d Fotis immer schöner! (Ha langsam dr Verdacht, du heigsch die eifach usemne Reisekatalog usgschnitte u iigscannet, Domi, oder so...) U Jane, du schribsch eifach würklech super! Dir sit chli zwöi Supertalente! ;) I versueche mi hie derweil e chli aus Reisefüehrerin u rössle d Kristine zwüschdüre chli ume. Schad, lehrsch se nid kenne, Jane. Isch une luschtegi.
    Fröie mi scho ufe nöxscht Bricht (ah und by the way ufs COLDPLAY Konzärt vo nöchscht Samschti!) Machets guet u häbit Sorg, pscl

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