Freitag, 18. Januar 2013

Ab in den Süden...

Reisfelder und Asphalt

Wir verliessen die Stadt Phitsanulok noch vor Sonnenaufgang und teilten die Strasse wie gewohnt mit vereinzelten Motorrollern, barfüssigen Bettelmönchen und einem Rudel heimtückischer, streunender Hunde. Unser GPS Track führte uns bald weg von der Hauptstrasse, auf eine weniger befahrene Nebenstrasse. Vor und hinter uns eine schnurgerade Linie perfekten Asphaltes, links und rechts von uns Reisfelder soweit das Auge reicht.  Besonders fielen uns die verschiedenen Wachstumsstadien des Getreides auf: Während in Yunnans Bergen die kleinen Reisfelder gleichzeitig bewässert waren, lagen hier riesige Felder vor uns mit aus trockener Erde spriessenden, jungen Reishalmen und satt grünem, bewässertem reifen Reis direkt nebeneinander - nur getrennt durch einen kleinen Erdwall. Und im nächsten Feld sprühten die Bauern mit geschulterten, motorisierten Sähmaschinen, die aussehen wie umfunktionierte Laubbläser, Reiskörner in den Schlamm. Es scheint hier keine spezielle Erntesaison zu geben - angebaut und geerntet wird das ganze Jahr über. Kein Wunder - in Thailand ist ja auch nie Winter. Ein Thai hat uns den Unterschied zu Europa erklärt: "In Thailand we have only two seasons: Hot - and VERY hot!"  


Reisbauern
Für uns bedeutet dies, so viele Kilometer wie möglich am Vormittag zurückzulegen und am frühen Nachmittag in ein klimatisiertes Zimmer zu flüchten, denn später werden die Temperaturen unerträglich. Gleich an unserem ersten Tag nach Phitsanulok, erreichten wir das Städtchen Sukhothai - die Wiege des heutigen Thailands: Im 13. Jahrhundert erklärte hier ein mutiger Mann namens Khun Bang Klang Thao den mächtigen Khmer von Angkor die Unabhängigkeit der Region und gründete das erste Königreich Thailands - Sukhothai. Sein Sohn, Ramkhamhaeng liess später zur Wahrung des Theravada-Buddhismus zahlreiche Tempelanlagen errichten, deren Ruinen heute im UNESCO gekrönten Geschichtspark zu bewundern sind. Wir nahmen uns einen Tag Zeit, in die Geschichte Thailands einzutauchen. 

Sukhothai Chedi/Stupa

beim Meditieren eingenickt

Sukhothai - Buddha und Mönch

Sukhothai - Watruinen

Buddha im Sukhothaistil


Die nächste Tagesetappe verlief dann nicht ganz wie geplant. Nebst einem Loch im Pneu, das sich Domi fünfzig Meter nach dem Guesthouse eingefahren hatte (es steht nun 2:3 - Domi holt auf!), verzögerte unser GPS Track die Ankunft in Kamphaeng Phet: Wir wagten es unsere Route auf noch kleinere Strassen zu legen, denn hier ist ja wirklich alles flach und jede Strasse asphaltiert. Dachten wir zumindest, denn plötzlich standen wir vor einem staubig-sandigen Feldweg. Ich hatte ein paar Tage zuvor meine Fahrradtaschen fein säuberlich gereinigt, und plädierte für die zwanzig Kilometer Umweg auf perfektem Asphalt. So kamen wir schwitzend in Kamphaeng Phet an, verschlangen eine Nudelsuppe und einen Papaya-Salat auf dem lokalen Markt und machten uns auf den Weg zu den Ruinen dieser wichtigen Stadt des Sukhothai-Königreiches. 

Nein danke - heute nicht.

Buddha in Kamphaeng Phet

Die nächsten beiden Tage verbrachten wir auf der von Zuckerrohrstangen bedeckten Strasse, an Essensständen und in klimatisierten Einkaufshäusern und Motels. Einziges Highlight - der Sylvesterabend und die Vorfreude auf Bangkok. Im Big C von Nakhon Sawan stellten wir unser Sylvestermenü zusammen: Frischer gemischter Salat, getrocknetes Rindfleisch, ein richtig knuspriges Pfünderli (na ja - genau genommen zwei...) und eine Flasche Schämpis. Wir feierten Sylvester mit Samoa, tranken Schaumwein bis wir zu "One Night in Bangkok" den richtigen Ton trafen, schliefen bis uns die Raketen um fünf vor zwölf wieder weckten, feierten Sylvester mit Thailand, schliefen bis uns der Wecker weckte und feierten Sylvester mit der Schweiz.

Morgenstimmung nach Kamphaeng Phet

Hier kommt der ganze Zuckerrohr hin

Unser Sylvestermenü. Das Brot hat es
leider nicht mehr aufs Foto geschafft

Neues Jahr - neuer Reifen. Nach 14´941 km gab der erste von unseren vier Schwalbe Marathon Mondial Faltreifen den Geist auf: Riss an der Seitenwand. Glücklicherweise hatten wir noch einen als Ersatz mit dabei. Wir erinnerten uns an die Wüste Zentralasiens, wo innerhalb weniger Tage alle vier Gepäckbänder gerissen waren. Würde dies nun auch mit den Reifen geschehen? Wir warfen den kaputten Reifen nicht weg - im Notfall würde er uns noch bis zum nächsten Fahrradladen bringen - und hofften in Bangkok einen würdigen Ersatz zu finden.

Kaputter Reifen? Schau genau hin...

Neujahr
Am darauffolgenden Abend trafen wir in Lopburi ein, eine uralte Stadt, die seit dem 7. Jahrhundert viele Königreiche und Kriege miterlebt hatte. Hier waren es aber nicht die eindrücklichen Tempeltürme (Prang), die die Khmer im 11. Jahrhundert im Zentrum der Stadt errichtet hatten, die unser Interesse weckten, sondern die Scharen von Javaneraffen, die sich nicht nur in den Tempelruinen, sondern in der gesamten Altstadt eingenistet haben. Zuerst waren wir entzückt ob der Kletterkünste der Makaken, doch bald merkten wir, dass die Affen eine regelrechte Plage waren für die Bewohner von Lopburi und diese schienen im Kampf gegen die Affen resigniert zu haben (der Grund dafür liegt vermutlich im Buddhismus oder im Tourismus): Überall lag Müll auf der Strasse, auf dem Gehweg musste man sich dreidimensional vor herumturnenden Affen in Acht nehmen, um nicht plötzlich in den Genuss einer stinkenden Dusche zu geraten, und ein kleines Mädchen konnte nichts weiter tun als schreien, als sich ein freches Exemplar dessen Vanilleeis schnappte und damit auf den nächsten Balkon flüchtete. Die schlechteste Idee schien aber mit dem Auto in die Nähe der Tempeltürme zu fahren und da an der Ampel zu warten. Die Affen hatten längst gelernt, dass es in thailändischen Pickups allerhand zu finden gab. Alles was nicht niet- und nagelfest war, kam in die kleinen Händchen der frechen Truppe. Kinderschuhe, Plastikschaufeln, Gummiabdichtungen - alles Mögliche rissen sie an sich und untersuchten es genauestens auf Essbares. Ich stand da, beobachtete die Diebe fasziniert und beschloss dann irgendwann doch noch den Automobilisten zu Hilfe zu kommen. Im Verscheuchen von aggressiven Hunden mittlerweile Profi, schritt ich voller Enthusiasmus zu einem von Affen heimgesuchten Auto und versuchte ein schelmisches Exemplar durch Zischlaute und fuchtelnde Arme zu verscheuchen. Doch anstatt seinen Schwanz einzuziehen und winselnd davon zu rennen, schnellte das Biest wild entschlossen vor, schaute mir böse in die Augen und fauchte mich, seine scharfen Zähnchen entblössend, laut an. Erschrocken stolperte ich rückwärts und stellte fest, dass ich es hier mit einer ganz anderen Intelligenz zu tun hatte als einem eingeschüchterten Hund. Ich hatte keine Lust mich wegen ein paar hässlichen Crocs in den Arm beissen zu lassen und liess den Affen weiter kauen, während Domi sich, in sicherer Entfernung, den Bauch hielt vor Lachen.

Man beachte die Zuschauer im Hintergrund...

bevölkerte Ruinen von Lopburi

"Ich bin der König im Affenstall..."

Ein gewisser Prinz U Thong flüchtete im 14. Jahrhundert vor einer Choleraepidemie von Lopburi in den Süden, und gründete am Zusammenfluss dreier Flüsse eine neue Siedlung. Das mächtige Königreich von Sukhothai hatte schon länger geschwächelt, und die von U Thong gegründete Stadt Ayutthaya gewann an Einfluss. Nach U Thongs Tod wurde Ayutthaya zum rechtmässigen Nachfolger Sukhothais erklärt. Der neue König konnte später gar die Grossmacht der Khmer von Angkor in die Knie zwingen und so wurde Ayutthaya zum mächtigsten Königreich der Thai. Auf den Spuren von U Thong flüchteten auch wir im Morgengrauen, jedoch vor einer mehrzelligen Plage, und radelten in die ehemalige Hauptstadt Ayutthaya. Dort konnten wir erneut Ruinen bewundern, fanden diese jedoch weit weniger eindrücklich, als diejenigen von Sukhothai. Vielleicht lag es daran, dass unser Bedarf an Ruinen mittlerweile gedeckt war, Fakt aber ist, dass vier Jahrhunderte nach ihrer Gründung Ayutthaya  von den benachbarten Burmesen belagert, gestürmt, geplündert, vernichtet wurde. Die Stadt wurde dem Erdboden gleichgemacht, das Gold der Tempelanlagen eingeschmolzen und gestohlen. Zurück blieben lediglich Laterit- und Backsteintrümmer, die man heute noch besichtigen kann. Dies war gleichzeitig der Untergang eines einflussreichen Königreichs, welches sogar den europäischen Kolonialmächten in Südostasien trotzen konnte. 

Ayutthaya

Wat Phra Si Sanphet

Wat Phra Si Sanphet

Ein paar Jahrzehnte nach dem Untergang Ayutthayas, bestieg schliesslich Phraya Chakri als Rama I. in Bangkok den Thron. Er war der erste König der noch heute regierenden Chakri-Dynastie. Seit 1946 regiert nun König Bhumibol Adulyadej der Große (Rama IX.) über Thailand. Als "König zum Anfassen" ist er bei der thailändischen Bevölkerung überaus beliebt und mit seinen 85 Jahren heute der am längsten amtierende (und auch der reichste) Monarch der Welt. Wir folgten den thailändischen Monarchen in die Hauptstadt des heutigen Königreichs, nach Bangkok. Mit über acht Millionen Einwohnern erwarteten wir eine verkehrsreiche Fahrt in die Innenstadt, doch wir wurden eines besseren belehrt:  Wir fanden eine wunderschöne, kleine Strasse, die uns entlang eines Kanals praktisch bis in die Innenstadt führte und bemerkten rasch, dass diese Strecke vielen Fahrradfahrern nicht unbekannt war. Die sportlichen Bangkoker fuhren die üblichen amerikanischen Marken bis hin zu teuren Carbonflitzern von italienischen Edelherstellern, ja gar ein Schweizer BMC  kam uns entgegen. Es war eine wahre Parade, die Domi kaum mehr die Gelegenheit gab, seine Kinnlade wieder von der Brust zu lösen.
In Bangkok angekommen fanden wir rasch zu unserem Hotel, wo wir unsere Weiterreise vorbereiteten und abwechslungsweise ins Bangkoker Stadtleben und in den Hoteleigenen Swimming Pool eintauchten. Auf dem Wochenendmarkt fanden wir mein neues Bikini für den Strand, in der geschäftigen Chinatown unseren Ersatzreifen, im Siam Center liessen wir uns im IMAX Kino schock gefrieren und am Ufer des Chao Phraya Flusses hätten wir die Möglichkeit gehabt, ein thailändisches Amulett zu kaufen, welche scheinbar zu den schönsten und wirksamsten Amuletten der Welt zählen. Sie sollen dem Besitzer Glück, Wohlstand und Gesundheit schenken. Da wir beide nicht annehmen, dass eine randomisierte kontrollierte Doppelblindstudie existiert, die eine solche Wirkung wissenschaftlich nachweisen würde, nehmen wir unser Schicksal weiterhin selbst in die Hand.

Blick aus unserem Hotelzimmer

Busy Bangkok

Auf dem Amulettmarkt

Zur Erfrischung Kokosnussglace

Tempelutensilien

Bald einmal hatten wir genug von der stehenden Hitze und den rasenden Motorrollern Bangkoks und verliessen die Stadt gegen Westen, nach Samut Songkhram. Anstatt an Reisfeldern, fuhren wir vorbei an Salzfarmen und "Seafood Companies", und nach einem kurzen Anstieg auf eine Brücke (seit Tagen die einzige Gelegenheit Höhenmeter zu sammeln) sahen wir ihn - den Golf von Thailand. Am nächsten Abend war es dann soweit und wir konnten endlich ins Meer hüpfen. Wir merkten rasch, dass die Luxusresorts mit Swimming Pool und privatem Strandabschnitt auch in Thailand nicht ganz unseren Budgetvorstellungen entsprachen, fanden dann aber schliesslich nach einigem Suchen in einem kleinen Guesthouse ein günstiges Zimmer mit Balkon, wo wir durch einen Vorhang aus Kasuarinenzweigen hindurch einen wundervollen Blick auf den Strand hatten. Direkt dahinter - der beste "Infinity Pool" den es gibt.

Sonnenaufgang über Bangkok

Markt am Bahnhof in
Samut Songkhram
Der Zug fährt dreimal am Tag durch.
Es lohnt sich also Gemüse vor dem
Verzehr zu waschen...

Da ist er - der Golf von Thailand

Morgenstimmung am Hafen

Salzfarm

unser Infinity Pool

Schon am nächsten Morgen fuhren wir weiter, dem riesigen Sandstrand entlang, immer in Richtung Süden. Nur ab und zu mussten wir die Panoramastrasse verlassen, um kurze Etappen auf der Nord-Süd-Hauptachse zurückzulegen. Die verkehrsreiche Strasse war jedoch gesäumt von Plakatwerbung für die zahlreichen Resorts und Hotels, die gegenseitig um den einfallsreichsten Namen konkurrierten. Lustige exotische Namen wie beispielsweise "Purimuntra Resort" wechselten sich ab mit etwas platteren Einfällen wie "The Sea-cret", "Sea-You" oder "Let´s Sea". Etwas pragmatischer sind in dieser Hinsicht westliche Auswanderer, die hierzulande ein Business eröffneten, denn diese nennen die Dinge beim Namen - so heissen einige Guesthouses und Lokale dann beispielsweise "Urs Treff", "Kurt´s Schnitzelhaus" oder schlicht und einfach "Werner"...

Traumstrand Nr. 1

Fischer...

...und ihre Boote
Wir folgten der Strasse weiter in den Süden, durch einen wunderschönen Nationalpark mit vielen bunten Vögeln, imposanten Karstfelsen und wilden Affen, nächtigten doch noch in einem etwas verlassenen Luxusbungalow zum halben Preis, fuhren durch Fischerdörfchen, im Schatten von Mango- und Regenbäumen und durch lichte Kokosnussplantagen und fanden in Ban Krut einen ruhigen Strand und ein kleines Holzbungalow, wo wir zuerst eine, dann zwei, und schliesslich drei Nächte blieben. Da wir jedoch Nemo immer noch nicht gefunden hatten, zog es uns weiter. Kaum zu glauben, aber am nächsten Tag goss es aus allen Kübeln. Eine Weile fuhren wir ohne, dann schliesslich doch noch mit Regenjacke, und staunten nicht schlecht, als uns plötzlich, in strömendem Regen, eine Horde deutscher Rennradfahrer überholte - gut gelaunt und im Affenzahn. Kein Wunder - der unerwartete Wolkenbruch war für sie ebenfalls eine gelungene Abkühlung und dank tropischer Temperaturen kein Vergleich zu den europäischen Schauern. Die graue Decke gab uns endlich wieder einmal die Gelegenheit eine etwas längere Etappe zu fahren, und pünktlich als sich die Sonne wieder zeigte, fanden wir einen hübschen, weissen Sandstrand mit Beachfrontbambusbungalöwli. Es war ein Traum! Im Hüttchen hatte es gerademal Platz für zwei Schlafmatten, zwei Kissen und ein Moskitonetz, doch unser Gepäck konnten wir über Nacht in der angrenzenden Dusche einschliessen. Nach einem leckeren thailändischen Abendessen im benachbarten Restaurant machten wir es uns in unserem Hüttchen gemütlich und schliefen kurz nach Sonnenuntergang zur sanften Meeresmusik ein. Es war eine herrliche Nacht - bis genau 23:00, als ein benachbarter massiver Ameisenstaat beschloss, unser Bungalow in Beschlag zu nehmen. Wir analysierten unsere Lage, und stellten ziemlich rasch fest, dass wir in der Unterzahl waren: Hunderte, wenn nicht tausende ca. 2 mm lange Arbeiterinnen hatten eine Strasse vom einen zum anderen Bungalowfensterchen gelegt und wurden von einzelnen grösseren Ameisen begleitet. Eine Weile beobachteten wir die Insekten fasziniert, als ich plötzlich eine einzelne, etwa 1 cm lange, schwerfällige Ameise mit riesen Zangen, inmitten des Gewusels gegen den Ausgang kriechen sah. Wie war das nochmal mit der Königin und der Beerdigung? Zu lange nachgedacht - mein Flipflop knallte eine Millisekunde zu spät auf die Bambuswand und die Riesenameise konnte sich gerade noch in einen Spalt retten (An alle an dieser Stelle entsetzten Tierfreunde: Ich möchte euch sehen nach über hundert Kilometern Radfahren und nur drei Stunden Schlaf durch brennendes Ameisensekret im Allerwertesten geweckt zu werden!) Wir gaben auf und wechselten unser Nachtlager mitsamt Moskitonetz auf die bedeckte Bambusliege gleich neben unserem Hüttchen. Auch hier waren die Ameisen in Partystimmung, doch diese schienen sich mit dem Sandboden begnügt zu haben. Als wir es uns wieder einigermassen bequem gemacht hatten und schon fast schliefen, kam der nächste Wolkenbruch. Etwas übernächtigt fuhren wir am anderen Morgen weiter nach Chumphon, wo wir die Überfahrt nach Koh Tao buchen. Zeit zum Schnorcheln!

Die Qual der Wahl

Trockene Tintenfische

Traumstrand Nr. 2

Wie jeden Morgen - wunderschöner Sonnenaufgang