Mittwoch, 19. September 2012

Über den Torugart-Pass ins Reich der Mitte



Meinem Gedärme ging es bald wieder besser und wir besuchten diverse Restaurants in Bischkek, die zu unserer grossen Freude westliches Essen servierten. Das beste Essen jedoch wurde uns in einem chinesischen Lokal gleich um die Ecke aufgetischt. Neben der Organisation unseres Chinavisums war dies die perfekte Vorbereitung für das nächste Land auf unserer Reise. Gemeinsam mit Esther und Christof planten wir über den Torugart-Pass ins Reich der Mitte zu radeln. Nachdem wir unsere Vorratstaschen prall gefüllt hatten mit Müesli, Milchpulver, Snickers und etlichen anderen überlebensnotwendigen Dingen, konnte es losgehen. Nach dem Wetterwechsel, der zwar 75% von uns eine deftige Erkältung bescherte, waren die Temperaturen mit rund 30°C endlich wieder etwas angenehmer zum Radfahren und wir legten am ersten Tag gleich knappe hundert Kilometer zurück bis zu unserem ersten Zeltplätzchen nahe der kasachischen Grenze. 

Esther und Christof zeigten uns, dass man auch ganz gut mal Gemüse, Fleisch und Kartoffeln auf dem Benzinkocher zubereiten kann, anstatt einfach einen Sack Kartoffelpüree anzurühren und fertig. Wir genossen unser gemeinsames Znacht und verkrochen uns bald erschöpft vom langen Tag in unsere Zelte. Kurz nach Mitternacht riss mich ein dumpfes Geräusch aus dem Schlaf. Da, nochmal, war das ein Schlag gegen unser Zelt? Erst beim dritten Mal realisierten wir, dass wir mit faustgrossen Steinen attackiert wurden. Rasch zogen wir uns an, und Domi stürmte aus dem Zelt in Richtung der Steinewerfer, die er im Dunkeln auf der anderen Seite des Bewässerungskanals vermutete. Er fluchte laut, worauf sich zwei Gestalten hinter einem Felsen versteckten. Was diese aber nicht ahnten war, dass sich Christof bereits aus dem Zelt geschlichen hatte, lautlos über den Kanal gestiegen war und sich den beiden nächtlichen Angreifern von der Seite näherte. "Ihr choga Sausiacha!" hörten wir plötzlich laut schreien, und die Verfolgungsjagd begann: Nachdem ein nicht gerade kleiner Stein sein Ziel verfehlt hatte, nahmen die Jungs Reissaus, Christof blieb ihnen dicht auf den Fersen. Ob sie sich vor dem zweiten Geschoss, einem daherfliegenden Schaschlick-Spiess, in Deckung bringen konnten, erfuhren wir nie - der Spiess fehlt bis heute in Christofs Grill-Set. Domi duckte sich vorsichtshalber ebenfalls, als Christof in seine Richtung schrie "Bisch du au sonen Sauhond?" Die Situation war dann aber rasch geklärt und während Esther und ich die Zelte bewachten, sicherten Domi und Christof gemeinsam die Umgebung, um schliesslich festzustellen, dass die beiden Angreifer verschwunden waren und wir legten uns bald wieder Schlafen. 


hinterhältig und böööse
Nach einer ruhigen zweiten Nachthälfte brachen wir unsere Zelte ab und schwangen uns wieder auf die Sättel. Kaum losgefahren, riss Domi an vorderster Stelle eine Bremsspur in den Sand. Was wir dann sahen, verschlug uns den Atem: Während wir friedlich schliefen, hatten zwei Kirgisen volle Arbeit geleistet: Quer über den Weg steckten scharfe Glasscherben im Sand, gut getarnt mit Gestrüpp und Erde. Noch lachten wir, da es ein leichtes war, die Scherben mit den Schuhen zu beseitigen. Dies dachten sich die beiden Jungs wohl auch, denn gleich darauf folgte eine Strecke von ungefähr zehn Metern, die über und über übersät war mit Glasscherben. Hier gab es definitiv kein einfaches Durchkommen mehr. Wir stiegen ab, schoben unsere Räder vorsichtig über die Scherben und wunderten uns über so viel Boshaftigkeit. 



Bei Saadagul in Kochkor
Enttäuscht und sprachlos erreichten wir schliesslich wieder die Hauptstrasse, wo wir auf Nicole und Timon trafen, zwei weitere Schweizer Tourenradfahrer. Sie hatten in Kirgistan zufälligerweise dieselbe Route gewählt wie wir, und so ergab es sich, dass wir von da an zu sechst unterwegs waren. In gemächlichem Tempo fuhren wir erst über Asphalt, dann immer öfter über Schotterpisten entlang von chinesischen Strassenbaustellen in Richtung Kochkor. Auch an diesem Tag kam der grosse Hunger gegen die Mittagszeit und wir fragten einen Mann am Strassenrand, wie weit es noch sei bis zum nächsten Ashkana. In drei, vier Kilometern hätte es viele Restaurants, keine Sorge. Beruhigt fuhren wir weiter über die staubige Rumpelpiste. Nach vier Kilometern erreichten wir einen Parkplatz, aber weit und breit war keine Gaststube in Sicht. Ich fragte erneut einen Kirgisen, der mit seinen Freunden genüsslich eine Melone verzehrte, wie weit es denn noch sei zum Ashkana. "Drei, vier Kilometer" war die ernüchternde Antwort, doch mit dieser schenkte er uns eine halbe Melone, ein Brot und eine Flasche Wasser. Genügend Brennstoff, um auch diese Zusatzetappe noch zu schaffen. Nach vier Kilometern kam dann weder ein Restaurant noch ein Kirgise am Strassenrand, und so fuhren wir einfach weiter. Nach neuerlichen vier Kilometern dann endlich: eine Fressmeile. Ausgehungert stellten wir unsere Räder hin und genossen ausgiebig unser spätes Mittagessen. Weit schafften wir es dann nicht mehr nach dieser riesen Portion Laghman und stellten unsere Zelte bei der nächstbesten Gelegenheit auf. 


in der Jurte
Am darauffolgenden Morgen klagte Domi über Bauchschmerzen und Appetitlosigkeit, was bei Radfahrern eher selten und wenn dann ein schlechtes Zeichen ist. Bis Kochkor waren es zum Glück nur noch dreissig Kilometer, doch diese führten über einen Pass. Nach Gepäckumverteilung fuhren wir schliesslich gemeinsam, in langsamem Tempo über den Berg und erreichten am Nachmittag das Bergstädtchen, wo wir uns in einem gemütlichen Bed and Breakfast niederlassen konnten. Während Domi sich im warmen Bett auskurierte, steuerten wir den Basaar an, um genügend Proviant für die abgelegene Route an den Song Köl, einen 3000 m hoch gelegenen, riesigen Bergsee, einzukaufen. Auch Ruedi und Fabienne verbrachten einige Tage hier in Kochkor, wie wir dann zufälligerweise feststellten. Die Beiden hatten ihre Fahrräder für eine Weile in die Ecke gestellt und erkundeten Kirgisien auf dem Pferderücken. Wir wussten, dass die Strasse zum Bergsee mit dem Fahrrad kein Zuckerschlecken werden würde und entschieden aufgrund Domis Gesundheitszustand noch einen Tag länger in Kochkor zu bleiben, um Kräfte zu sammeln, während die anderen vier bereits losfuhren um später am Song Köl einen Ruhetag einzulegen.



In der Tat - der Weg zum See war lange und holprig. Starker Gegenwind erschwerte die Bergfahrt auf der Schotterpiste zusätzlich. Wir erkämpften uns jeden Höhenmeter, um die anderen einen Tag später am See einholen zu können. Wir passierten ein letztes kleines Dorf und liessen die Zivilisation hinter uns, fuhren weiter und weiter an einem friedlichen Bergbach entlang, durch idyllisches Hügelland unserem Zwischenziel entgegen. Plötzlich sahen wir hoch oben auf einem Hügel den Umriss eines grossen, sitzenden Mannes - ein kirgisischer Hüne?! "At Kuda?" rief es plötzlich in russischer Sprache mit breitem Thurgauer Akzent vom Berg herab. Und so trafen wir bereits einen Tag früher wieder auf unsere vier Velofreunde. Sie mussten ihren Pausentag ebenfalls nach vorne verschieben, da es diesmal Nicole und Timon erwischt hatte - das Quellwasser schien hier oben nicht das Beste zu sein. Für unseren abendlichen Tee kochten wir also das Wasser ab. Und schon begingen wir unseren zweiten Fehler, der einem echten Pfadfinder nie passiert wäre: Auf 2500 m.ü.M. kocht das Wasser natürlich bereits bei tieferen Temperaturen, und je tiefer die Siedetemperatur, desto länger dauert es, bis die meisten Keime abgetötet sind. Aber eben, jeder der hier unterwegs ist, führt seinen Beruf in irgendeiner Form weiter: Abwarte warten ihre Ausrüstung besser als andere, Illustratorinnen bringen ihre Reiseeindrücke kunstvoll auf Papier, und Domi und ich züchten Bakterienkolonien und behandeln diese anschliessend mit potenten Arzneimitteln (bei mir steht mittlerweile das Verhältnis Antibiotikakuren zu platten Reifen 4:3). 


Beschwerlicher Weg an den Song Köl
Geschafft!

Eindrücke vom Song Köl:



























Die letzten Höhenmeter zum Song Köl schafften wir also dann doch irgendwie und fanden auch bald ein wunderschönes Zeltplätzchen zwischen Schafen, Pferden, Jurten und Edelweiss. Zeit für einen zusätzlichen Ruhetag hatten wir nicht mehr, denn wir hatten einen fixen Einreisetermin nach China: Der Torugart-Grenzübergang ist einer der unberechenbarsten in ganz Zentralasien in Bezug auf die Öffnungszeiten und offiziell für Touristen gar nicht passierbar. Doch mit horrend teurem vorarrangierten Transport auf der chinesischen Seite drücken sowohl kirgisische als auch chinesische Zöllner ein Auge zu. So fuhren wir in geschwächtem Zustand gegen den pfeifenden Wind entlang des Ufers des Bergsees, wärmten uns kurz in einer Jurte bei Tee und Eiernudeln auf, und genossen dann am Spätnachmittag die spektakuläre Abfahrt hinunter ins Tal des Naryn-Flusses. 
























Eben noch hatten weite Grasflächen die Landschaft geprägt, und nun wuchsen herrlich duftende Kräuter am Wegrand und grüne Tannenwälder zierten die steilen Berghänge. Wir stellten an einem kleinen Bergbach unsere Zelte auf und wurden kurz darauf von ein paar Milchkühen besucht - schon waren sechs tiefe, lange Seufzer zu hören, sah es doch hier wirklich aus wie in der Schweiz (nach fünf, bzw. sechs, bzw. acht Monaten darf man ein bisschen Heimweh haben). Ja, aufgrund seiner Berge und Seen wird Kirgisien öfters die Schweiz Zentralasiens genannt oder als zweite Schweiz bezeichnet. Als diverse Kirgisen uns fragten, woher wir kämen, drehten wir den Spiess um: "Iz ftaroy Kyrgyzstan -  aus dem zweiten Kirgisien kommen wir", ernteten erst ahnungslose Blicke und nach der Auflösung des Rätsels lautes, begeistertes Lachen.















Um ganz hinunter ins Naryn-Tal zu kommen, vernichteten wir noch ein paar Höhenmeter und fanden uns bald in einer heissen und trockenen Gegend wieder. Wir fuhren durch etliche kleine Dörfer, in denen wir öfters und vor allem schon frühmorgens mit einem lallenden "wasssssallamalleikküm" begrüsst wurden. Langsam hatten wir uns daran gewöhnt, dass die meisten Kirgisischen Männer mit denen wir ins Gespräch kamen, ihren Durst nicht mit Wasser, sondern lieber mit dem viel billigeren "Wässerchen" - Vodka löschten. In Naryn verabschiedeten wir uns dann von Nicole und Timon, die vor ihrer Rückreise in die Schweiz noch ein bisschen länger durch Kirgisien radeln wollten, und organisierten neuen Proviant, sowie einen "Coverletter", der uns zu einer problemfreien Fahrt bis zur kirgisischen Seite des Torugart-Passes verhelfen sollte. Noch am selben Tag fuhren wir weiter. 




Nur noch knapp 200 km trennten uns von China - der grossen Zwischenetappe unserer Reise. An einem klaren aber leider salzhaltigen Bach liessen wir uns nieder und verbrachten den Abend getrennt in unseren Zelten - nicht weil wir uns gestritten hätten, sondern weil es seit langem wieder einmal regnete und furchtbar kalt war. Es war Herbst geworden. Nur um den Kirgisen, der trotz schlechtem Wetter auf seine zusammengeklebten Sonnenbrille bestand und sich kaum noch auf seinem Pferd halten konnte, zu begrüssen, krochen wir rasch hinaus. Nach einer langen Nacht und einem noch längeren Frühstück kam dann doch noch die Sonne und wir nahmen die nächste Etappe in Angriff. Die Landschaft wurde nun zunehmend trockener und dementsprechend war es schwieriger Wasser zu finden. Obwohl wir bereits auf über 2000 m.ü.M. waren und eher schneebedeckte Berge und klaren Quellen erwarteten, sahen wir uns wieder in eine Wüste zurückversetzt. Die Strasse führte kilometerlang schnurgerade durch eine trostlose Gegend. Eine einzelne Kurve gefolgt von einem leichten Anstieg in der Abendsonne war das Highlight an diesem Tag. 



Wir campierten weit weg von jeglichen Dörfern und wurden erst am nächsten Morgen von einer Truppe chinesischer Strassenarbeitern besucht. Dies bescherte uns einen ersten Vorgeschmack auf das riesige Nachbarland - wir verstanden kein Wort von dem was die Chinesen von uns wissen wollten. Zum Glück wurden sie begleitet von ihrem pakistanischen Vorarbeiter, der sowohl der chinesischen, als auch der englischen Sprache mächtig war, und wir konnten uns verständigen. Auch am nächsten Tag führte uns die Strasse und der angenehme Rückenwind sanft weiter in die Höhe, so dass wir keinerlei Probleme hatten, die 3000er Höhenlinie zu überqueren. Da wir am Wochenende unterwegs waren, wo der Grenzübergang für gewöhnlich geschlossen ist, hatten wir die Strasse praktisch für uns alleine. Nur ab und zu wurden wir durch vorbeidonnernde Lastwagen, die als erste in der Schlange stehen wollten, mit Strassenstaub paniert. 



Bald einmal kamen wir zum äusseren kirgisischen Checkpoint. Die Spannung stieg, denn aufgrund verschiedenster Reiseberichte und Streckeninformationen aus dem Lonely Planet rechneten wir jederzeit damit, zurückgeschickt zu werden. Es war dann aber kein Problem - nicht einmal unseren teuren Coverletter wollten die Soldaten sehen. Wir füllten unsere Wassersäcke für die nächsten zwei Tage und fuhren weiter - noch 50 km bis zur chinesischen Grenze. Doch die Höhe und der schlechte Strassenzustand liessen uns noch ein weiteres Nachtlager in der kirgisischen Steppe aufschlagen. 













Ein einsames Pferd schaute uns zu, wie wir unsere Zelte aufstellten, Nudelsuppe kochten und wie Christof und Domi Esthers Rohloff-Gangschaltung reparierten. Wir genossen den klaren Sternenhimmel bis uns die Kälte in unsere warmen, kuschligen Daunenschlafsäcke zwang. Nur noch eine Tagesetappe trennte uns vom Reich der Mitte. Am nächsten Tag war ich erneut durch einen nächtlichen Brechanfall (trotz Antibiotika - war es nun die Höhe oder doch die gefürchteten Lamblien?) geschwächt, doch wir schafften es bis zur Grenze, wo wir von kläffenden und zähnefletschenden Hunden begrüsst wurden. 


Grenzregion Kirgisien - China:











Der Grenzübertritt war für den nächsten Tag geplant, so hatten wir es mit unserem chinesischen Taxiservice ausgemacht. Wir übernachteten direkt vor der Grenze und fuhren am nächsten Morgen durch die wartende LKW-Schlange und vorbei an schweizerischen und deutschen Touristen, die mit ihren Minibussen ebenfalls vor dem Schlagbaum warteten. Kaum abgestiegen, kam auch schon ein kirgisischer Zöllner und winkte uns durch zur Zoll- und Passkontrolle. Wir betraten ein riesiges, verlassen wirkendes Betongebäude. Unsere Rufe hallten wider als wir den Beamten mit Stempel suchten. Christof wurde schliesslich fündig: in einem kleinen Kabäuschen sass eine einsame Kirgisin in Militärkluft und wartete still darauf, dass wir ihr unsere Pässe reichten. Anschliessend kam ein männlicher, alkoholisierter Beamter daher und forderte uns auf, die Zolldeklarationspapiere auszufüllen - "hier Name, hier Datum und Unterschrift, ja, ja, das reicht schon." Nachdem wir ihm unseren Coverletter gereicht hatten, war er zufrieden und mit einem "Dawai, dawai" wurden wir nach China geschickt. Das ging ja einfach, und wir waren erstaunt, dass sie uns die Passhöhe mit dem Fahrrad zurücklegen liessen. Nach einigen Kilometern passierten wir den ersten chinesischen Kontrollposten und fuhren hinunter, vorbei an der Lastwagenkolonne zu einem weiteren Kontrollposten. Herumstreunende Hunde und verlotterte Gebäude erweckten nicht gerade den Eindruck eines sich im wirtschaftlichen Aufschwung befindenden Staates. Hier trafen wir wieder auf die Touristen in ihren Fahrzeugen und beneideten sie um ihren chinesischen Guide. Die zierliche Frau übersetzte uns, was uns die Grenzsoldaten zu sagen hatten: Bis hierher und nicht weiter, falls euer Taxifahrer nicht mit dem Permit auftaucht. "Good Luck" wünschte uns die Chinesin und fuhr mit ihren Klienten davon. Wir schluckten leer und warteten. Wie abgemacht, um Punkt zwölf Uhr tauchte aber dann unser Fahrer auf der anderen Seite der Grenze auf. Er übergab den Soldaten unser Permit und nun plötzlich schienen sie sich auch für uns zu interessieren. Die jungen Männer scharten sich um unsere Fahrräder und begutachteten jedes einzeln. Nach einem für uns unverständlichen Befehl des Oberst stellten sich die Soldaten plötzlich vor uns in einer Reihe auf. Überrascht taten wir es ihnen gleich und stellten uns ihnen gegenüber in eine Reihe. Äusserst erstaunt rechneten wir mit einer Begrüssungszeremonie für Schweizer Tourenradfahrer, doch nach einem erneuten Befehl des Oberst machten die Soldaten vor unseren Augen rechtsumkehrt und marschierten in einer Reihe ab in ihre Kaserne. Wir verstanden nichts mehr und wandten uns fragend an unseren Guide: Entnervt erklärte er uns, dass jetzt Mittagspause sei, und wir noch eine Stunde länger warten müssten...

Die Stunde war bald um und wir waren an der Reihe und wurden durchgeschleust. Doch leider blieb Christofs Dolch dank des mobilen Gepäckscanners nicht unentdeckt. Mit elf Zentimetern war er gerade einen Zentimeter zu lang um nicht als tödliche Waffe eingestuft zu werden, und nach chinesischem Gesetz musste er dem Besitzer aus diesem Grund entwendet werden. Es half kein Bitten und Betteln - die Chinesen haben ihre Prinzipien und Gesetze und daran gibt es nichts aber auch gar nichts zu rütteln. "This is our country" war die endgültige und abschliessende Erklärung. Wir erhielten den Einreisestempel aber trotzdem und  stiegen wieder in unseren Bus, in dem wir schliesslich - ohne Dolch - nach Kashgar transportiert wurden. 



Müde, aber glücklich, es über die Grenze geschafft zu haben, installierten wir uns in unseren Hotelzimmern und betraten hungrig ein chinesisches Restaurant. Ein Chinese, der gleich hinter der Eingangstür an seinem Tisch sass, zog mit rotzendem Geräusch dicken, festhockenden Schleim die Nase hoch, wartete bis sich alles in seinem Mund zu einem Ballen geformt hatte und spuckte das Produkt genüsslich auf den weissen Plattenboden aus - direkt vor unsere Füsse. Nĭ hăo - welcome to China!

Obwohl Kashgar, die Hauptstadt der Uighuren Provinz Xīnxiāng, noch sehr viel Ähnlichkeit mit den Zentralasiatischen Ländern hat, war doch der Puls ein anderer. Der Einfluss der Han-Chinesen war bereits deutlich zu spüren, alles war grösser, ging schneller und lief organisierter ab, als wir es in den letzten paar Monaten erlebt hatten. Wir liessen uns von den verschiedenen neuen Eindrücken berieseln und bereiteten uns auf den Kulturschock vor, der uns bald erwarten sollte: Da der Westen dieses riesigen Subkontinenten vor allem aus Wüste besteht und Tibet im Moment für Individualtouristen auf dem Fahrrad gesperrt ist, entschieden wir uns den Zug zu nehmen, und den Herbst in Sìchuān und Yúnnán zu verbringen. Dank der professionellen Unterstützung von Abdul Wahab und seiner Crew konnten wir unsere Fahrräder problemlos bei der Chinesischen Post aufgeben und nach Chéngdū verschicken lassen. Unser Zug fuhr erst am nächsten Tag ab, dies gab uns Zeit die chinesische Essensversorgung ein bisschen genauer unter die Lupe zu nehmen. 


Na ja, so genau wollten wir es eigentlich dann doch nicht wissen. Im Supermarkt wurden neben undefinierbar schwarzen Hühnchen auch einzelne Kaninchenköpfe und Schildkröten verkauft, am Nachtmarkt gab es Innereien und Kalbsköpfe, und das Speiseöl zur Zubereitung wird "der Umwelt zu liebe" beim nächsten Gulli wieder aus der Kanalisation gefischt, rezykliert und dem nächsten Koch weiterverkauft. 






Eindrücke vom Nachtmarkt in Kashgar:













Am nächsten Tag begaben wir uns, jeder mit sechs oder mehr schweren Velotaschen beladen an den Bahnhof, wo uns unser Zug erwartete. Unsere Tickets und Pässe wurden mehrmals kontrolliert und unser Gepäck gescannt (wobei nun Christofs gefährlich leicht entflammbare Leimtuben ein Problem darstellten: "This is our country!"...) bevor wir den Zug besteigen durften. Die nächsten 24 Stunden fuhren wir zu viert in einem Soft Sleeper Abteil nach Turpan, wo wir mit einiger Verspätung ankamen. Eine halbe Stunde zum Umsteigen reicht normalerweise bei Weitem aus, nicht aber in China: Wir mussten unser gesamtes Gepäck aus dem Bahnhofsgebäude schleppen, eine Tür weiter rechts wieder ins Gebäude hineintragen, scannen lassen und uns in eine lange Schlange stellen, die erst ca. 10 min vor Zugsabfahrt aufs Perron entlassen wurde. Ich war die letzte, die noch durch die Drehtür durchgelassen wurde, hievte all meine Taschen irgendwie hoch und kam irgendwann auf dem Perron an. Laut schnaubend machte ich der Lokomotive Konkurrenz, worauf ein Schaffner mir mitleidig oder unter Zeitdruck stehend zwei Gepäckstücke abnahm, und sie dann ebenfalls schnaufend nach mir in Wagen 12 verfrachtete. Kaum war ich drin, fuhr der Zug auch schon auf die Minute genau ab. 


die grosse Mauer haben wir auch gesehen!











Unsere Schlafplätze befanden sich im offenen Hard Sleeper Abteil, welches vielen Chinesen während 48 Stunden die Gelegenheit gab mehrmals "unauffällig" bei uns vorbei zu schlendern und noch "unauffälliger" zu beobachten, was diese Westler denn hier so trieben. Unsere Nachbarn hingegen wurden von Stunde zu Stunde mutiger und sprachen uns sogar an. Auch wir versuchten das Gespräch aufzunehmen, als wir an riesigen Ölfeldern vorbeifuhren, doch die Antwort auf "Benzin?" war einfach  "Ha? Beijing?" und so liessen wir es bleiben. Trotzdem blieben wir ziemlich interessant, und irgendwann machte es uns auch nichts mehr aus, wenn uns beim Lesen eines sms vier Chinesen über die Schulter blickten und hemmungslos mitlasen. Nach insgesamt drei langen Tagen und Nächten fuhren wir im Bahnhof Chéngdū ein (Vergleich mit Europa: die Strecke, die wir zurückgelegt haben entspricht mit 4300 km etwa der Strecke Rom-Nordkap; Vergleich mit der Schweiz - auf einer Zugfahrt von Bern nach Basel würden bereits alle in Zollikofen ihr Gepäck vorbereiten und noch ein letztes Mal zur Toilette gehen). Da unsere Gepäckmenge nicht der chinesischen Norm entsprach und deshalb öfters für Kopfschütteln sorgte, hiess uns die uniformierte Schaffnerin des Wagen 12 unser Gepäck bereits vor allen anderen zur Zugtür zu schleppen. Dies taten wir folgsam aber ebenfalls kopfschüttelnd (Chéngdū war schliesslich Endbahnhof). Die Schaffnerin des Wagen 12 rechnete aber nicht mit der stämmigen Schaffnerin des Wagen 13: Als diese die zugepackte Tür sah, holte sie tief Luft und keifte uns gellend an, so dass die Zugsfenster klirrten. Wir verstanden nur Chinesisch und Domi, als vorderster Mann, steckte sich als erste Reaktion die Finger in die Ohren. Nachdem auch das Echo verhallt war, und unsere Trommelfelle sich wieder erholt hatten, verschoben wir unsere Taschen an einen angebrachteren Ort. Schliesslich kamen wir in der Hauptstadt Sìchuāns an und nahmen ein Taxi zu unserem Hostel, wo wir die nächsten vier Tage auf unsere Fahrräder warteten, viel assen (mit "viel scharf" und noch mehr betäubendem Sìchuān-Pfeffer - huiiiii, wie das prickelt im Mund!) und ein bisschen Sightseeing machten.

Eindrücke aus Chéngdū:

ohrenbetäubend laute Tanzkunst im sonst
idyllischen People´s Park
vergängliche Gedichte





Im taoistischen Tempel



Blick aus dem Hostelfenster -
Hochhäuser so weit das Auge reicht
GMP - gruesome manufacturing practice











3 Kommentare:

  1. hellöösss zämä,
    auso das china hett euch veränderät. ha dr bö***i ufäm biud usem zug und im böss zersch gar nid erkennt.
    us chengdu chunt de übrigens usä olympiaheld donghua li! eifach mau si name erwähnä und de chömet Dir sicher so ä schiudchrot gschänkt.

    eigentläch sie Dir ja scho sehr wit cho. itz chöit Dir doch äs paar monät ds singapur verbringe. söu sehr schön si, ä ganz lockeri stadt mit viunä schönä bars mit livemusig und äs git ganz viu schöni auti geböidä ds aluägä und o süsch viu ds erläbä.

    viu spass und liäbä gruäss
    chrigu

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  2. hellös zämä,
    heinäch d chinese ds internetz abgsteut? oder eifach geng am velöle und nid so zit zum schribe?
    liäbä gruäss
    chrigu

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